Daniel Khafif - Schriftsteller und Kunsthistoriker
Hermann Reimer studierte Malerei an der Hochschule der Künste Berlin und war Meisterschüler von Klaus Fußmann. Wie bei seinem Lehrer nehmen Landschaftsbilder einen wichtigen Raum in seinem Werk ein, viele Bilder entstanden sogar rund um den Wohnsitz von Fußmanns in Schleswig-Holstein. Reimers gemalte Landschaften und Wälder sind anonyme Orte, auch wenn sie von real existierenden Orten abgeleitet sind. Oft sind es sanfte Laubwälder mit Wegen, häufig auch Wasserspiegelungen oder Felder. Auch ein See, Fluss oder ein einzelner Baum können zum Motiv werden. Für Hermann Reimer gibt es zwei wichtige Fragestellungen, die ihn als Künstler ständig begleiten. Zum einen ist dies das Finden eines Themas, das ihn wirklich interessiert und packt, für das man als Maler bildnerische Lösungen sucht. Zum anderen ist es die immer wiederkehrende Fragestellung, was eigentlich ein gutes Bild ist und eng damit zusammenhängend: wann ist ein Bild fertig? Zuerst waren da die Aquarelle, die vor allem für sich selbst und aus der Lust am meditativen Betrachten der Landschaft auf Reisen entstanden "pleinair", also vor der Natur gemalt. Als der Künstler irgendwann dazu überging, Landschaften in Öl zu malen, trat wieder die Frage in den Vordergrund, welche Landschaftsaspekte interessieren, welche Ansichten können in ein für den Künstler interessantes Bild übersetzt werden. Dabei standen weniger spektakuläre Landschaften im Fokus als eher die stillen, unauffälligen Flecken wie beispielsweise Waldlichtungen oder versteckte Gartennischen. Gerade das Unscheinbare in überzeugende Bilder zu transformieren ist eine Aufgabe, die Reimer reizt und die er souverän meistert. Seine Motive fand Hermann Reimer dann zunächst hinter Fußmanns Haus, einfach mit der Schubkarre mitten in den Wald, die Staffelei aufgebaut und losgemalt. Doch womit anfangen, alles schien zu viel. Nach den ersten gescheiterten Versuchen die ersten Erfolge, das Thema Wald passte und hat den Künstler nicht mehr losgelassen. Zuerst entstanden auch hier die Bilder vor Ort, erst als er das Thema ins große Format bringen wollte, verlagerte er den Malprozess teilweise ins Atelier. Aber da hatte er bereits die Erfahrung mit dem Thema und so genügten ihm oft Skizzen vor Ort. Ein Vorteil des Themas ist die Ruhe beim Malen im Wald. Auch sind die gemalten Waldausschnitte anonyme Orte, die nicht lokalisierbar sind, die sich überall befinden könnten. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Thema noch nicht so besetzt ist wie z. B. Meer oder Gärten. Das liegt wohl daran, dass der Wald in Deutschland in der öffentlichen Wahrnehmung, in der Folklore und in den Medien als urdeutsche Eigenschaft verankert ist. Kitschige Waldbilder mit Hirschen, Heimatfilme, Stücke über Räuber und Wildschützen sowie das Wirtshaus im Spessart spielen vor der romantisierten Kulisse des deutschen Waldes. Vielleicht deswegen wird das Thema Wald in der Malerei heutzutage gemieden, zu groß die Angst in die Nähe von Wäldern mit röhrenden Hirschen zu rücken. Reimers Wälder machen keine Angst. Er schafft es, das derart kulturell vorbelastete Sujet mit zum Teil großformatigen Waldbildern auf eine überraschende Art neu und zeitgemäß zu gestalten. Eine hohe Eigenständigkeit der Farbgebung und der virtuose Umgang mit der Darstellung des Lichts zeigen Bilder mit starken Kontrasten und großer Bildtiefe. Sie verführen den Betrachter zum Verweilen oder zum Wandern in seinen sowohl sonnendurchfluteten als auch schattigen Bildräumen. Bei den Spiegelungen fügt Reimer dem Bild zusätzlich einen zweiten Raum hinzu, der bereits eine Abbildung ist. Doch wer bestimmt, was in dem Bild Spiegelung und was das nicht Gespiegelte ist? Beides ist gemalt und beides gleich virtuell. Besonders bei den Spiegelungen im Park währt die Unbestimmtheit des Bildes länger. Der Horizont ist hoch angesetzt, das Bild wirkt auf den ersten Blick eher abstrakt, hier nimmt die gemalte Spiegelung den größten Teils des Bildes ein. Der Himmel ist hier unten, erst bei längerem Hinsehen erklärt sich der Raum. Da ist das Oben, da das Unten und dort die Wasserkante. Diese Irritation bringt eine zusätzliche Spannung in das Bild, es könnte vielleicht auch andersherum funktionieren. Reimers Bilder zeichnen sich durch eine hohe künstlerische Fertigkeit aus. Technisch versiert malt der Berliner Künstler Bäume, Blätter und das Licht. Mit souveräner Sicherheit trägt er die Ölfarbe von flächig bis pastos mit dickem Pinsel auf die Leinwand auf, so dass sie sich im Auge des Betrachters zu einem vertrauten Seheindruck verbindet. Während der perspektivische Aufbau der Bilder die räumliche Tiefe erzeugt, ist aber die Farbe selbst entscheidend für die Bildwirkung. Denn Licht ist die Tankstelle des Lebens. Es durchdringt die Natur, aus der wir unsere Energie beziehen. Die Farben in Reimers Gemälden sind intensiver als in der Realität, was eine gewisse Magie ausstrahlt. Das Grün der Blätter, die tanzenden Lichtpunkte zum Teil in Rosa und die exakt platzierten Durchblicke in den Himmel in strahlendem Blau fügen sich zu einem harmonischen Klang zusammen, der die Anziehungskraft der Bilder ausmacht. Es geht Reimer um die Erzeugung einer Illusion und wenn diese sich gar auf einem wandfüllenden Format realisiert, dann steigert sich die suggestive Kraft. Das Bild gleicht einer Bühne und vermag den Betrachter in das Bild hineinzuziehen. Allerdings: so frappierend der illusionistische Eindruck auf den ersten Blick auch ist, in der Farbigkeit löst sich Reimer auch von dem Seheindruck der realen Situation. Das Grün ist grüner, das Blau ist blauer und auf einmal fühlt es sich an, als liege eine leichte Magie über der Szenerie bis sich auch dieser Eindruck wieder auflöst und in eine Freude über diese lustvolle Malerei an sich mündet. Maltechnisch ist Reimer ohne Schwächen, daher kann er sich hemmungslos an jede Stimmung wagen, die dann eine große Spannbreite der Deutung zulässt. Ein Bild zu malen ist allerdings nur eingeschränkt planbar, der Zufall spielt hier eine große Rolle. Jeder neue Anfang ist schwierig, zwischen Vorstellung und Resultat liegen Welten. Der Maler ist gezwungen, ein Wagnis einzugehen, muss sich immer wieder entscheiden. Der Weg zum Bild ist nie einfach. Auch das sieht von außen immer anders aus, leichter, einfacher, vielleicht gibt es auch mehrere richtige Lösungen. Doch ist das dann gemalte Bild ein gutes Bild? Die Antwort darauf ist höchst subjektiv, natürlich kann man Kriterien wie Komposition oder Farbklang nennen, doch die Unsicherheit bleibt, und vielleicht besteht genau darin der Reiz der Malerei. Bei Reimer ist es gelungen und wir freuen uns über seine Bilder.